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Wenn der Notar mehrfach klingelt... 

Tobias & Verena Dier • 8. Januar 2021

Es begann mit einem normalen Verkaufsauftrag für ein Einfamilienhäuschen:

Das Haus war vermietet, aber die Bewohner zogen gerade altersbedingt in eine Seniorenresidenz. Über Kaufpreisvorstellung und Vermarktungsweg wurde zügig ein Konsens mit dem Verkäufer gefunden. Das alte Grundbuch (2012) zeigte, dass es sich um zwei Flurstücke handelte - eines für das Haus und eines für die Zufahrtsstraße. Das Flurstück des Hauses gehört einer Firma und ¼ der Zuwegung den ehemaligen Bewohnern des Hauses. Zusätzlich war im Grundbuchblatt des Gebäudes ein Wohnrecht für sie eingetragen. Das Haus inkl. Zuwegungsanteil war außerdem vor 6 Monaten an eine Tochterfirma überschrieben worden und die Bewohner hatten zu Gunsten einer Abfindung auf ihr Wohnrecht verzichtet. Die notariellen Urkunden lagen vor.

Von Seiten des Verkäufers und den ehemaligen Bewohnern schien demnach jeder Aspekt perfekt geregelt worden zu sein...

Wir bereiteten alles professionell vor (inkl. Beantragung des aktuellen Grundbuchauszuges, etc. ) und starteten mit der Vermarktung des Hauses. Die Nachfrage war überwältigend: nach nicht einmal zwei Wochen waren über 30 Besichtigungen durchgeführt und mehrere Kaufangebote eingegangen.

Währenddessen hatten wir beim Notar unseres Vertrauens bereits einen Kaufvertragsentwurf aufsetzen lassen, sodass er Einblick in das elektronische Grundbuch nehmen konnte. Leider war dort jedoch immer noch der alte Grundbuchstand von 2012 verzeichnet- der Eigentümer war also noch nicht offiziell Eigentümer und das Wohnrecht noch nicht gelöscht. Was einem nicht gehört, kann man aber auch nicht verkaufen.

Was war passiert?

Das örtliche Finanzamt hatte (nach mittlerweile 7 Monaten) noch keinen Grunderwerbsteuerbescheid für die Übertragung zugestellt, daher gab es keine Unbedenklichkeitsbescheinigung und somit auch keine Eigentumsumschreibung.

Vom Finanzamt erhielten wir die lapidare Antwort, dass solche „komplexen“ Vorgänge nur vom Teamleiter bearbeitet werden dürfen und dieser momentan aufgrund von Corona im Homeoffice sei. Was das Finanzamt die letzten 6 Monate gemacht hatte, war nicht herauszufinden. Wir arbeiteten deshalb dem Finanzamt zu und konnten so die angekündigte weitere Bearbeitungszeit zumindest etwas verkürzen.


Unser Notar wies auf das zweite Problem hin: Aufgrund der damals nicht vorhandenen Dringlichkeit war keine Auflassungsvormerkung in den Vertrag aufgenommen worden, sondern nur auf die Eigentumsumschreibung abgestellt. Somit fehlte die Vormerkung der Eigentumsübertragung im Grundbuch und wir konnten deshalb alternativ keine sog. Sprungauflassung im Kaufvertrag regeln. (Bei dieser Art der Abwicklung geht praktisch, wie bei einem Kettengeschäft, das Eigentum direkt vom ersten auf den dritten Eigentümer über, sozusagen mit einem kleinen Hopser in der Mitte.)

Es gab also nur die Möglichkeit kurzfristig die Auflassungsvormerkung für den alten Vertrag beim ursprünglichen Notar nachzubeglaubigen. Weil die Zuwegung ebenfalls betroffen war, mussten auch unsere rüstigen Senioren (84 und 77 Jahre alt) nochmals antreten, um ihren Willen zu beurkunden.

Durch diese Maßnahme konnte unser Notar im Kaufvertragsentwurf auf die Auflassung Bezug nehmen.

Weiter vorgesehen war, dass der Kaufpreis auf ein Notaranderkonto eingezahlt und erst freigegeben wird, wenn die ursprüngliche Eigentumsumschreibung erfolgt ist.

Doch die finanzierende Bank des Käufers fand diese Konstellation wenig amüsant und wollte das so nicht mitgehen. Also: nochmals eine Rolle rückwärts, wieder alles ändern und eine andere Finanzierungsvariante wählen.

Schlussendlich war der Kaufvertrag ungefähr doppelt so lang wie ein „normaler“ und verursachte zudem mehrfach hohen Aufklärungsbedarf durch uns und den Notar. Allerdings sicherte er auch beide Seiten in dieser schwierigen Konstellation rundum ab.


Mittlerweile ist das Häuschen verkauft, die neuen Eigentümer sind bereits beim Vermessen und Renovieren, die Standleitung zum Notar ist wieder abgekühlt und alle Parteien sind glücklich. Eins ist jedoch geblieben: nach den 3 Wochen der Kaufvertragsentwicklung und den stundenlangen Gesprächen mit dem Notar meldet sich die Telefonistin der Kanzlei bei unseren Anrufen nicht mehr mit der üblichen Firmenansage, sondern begrüßt uns, da sie unsere Telefonnummer im Display erkennt, nur noch lachend mit „Täglich grüßt das Murmeltier"!

Eine Woche nach Beurkundung haben wir vom örtlichen Grundbuchamt einen Brief erhalten. Sie teilten uns auf unsere routinemäßige Anforderung des Grundbuchs bei Auftragsannahme -in diesem Fall 8 Wochen vor Kaufvertrag- mit, dass unser Auftraggeber nicht Eigentümer des beschriebenen Grundstücks sei, unsere Vollmacht somit nichts brächte und sie uns keine Auskunft erteilen. :-)

Vor Corona dauerte die Bearbeitung solch einer Anfrage übrigens außerdem nur ca. 1 Woche.....



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